Spielfilm

Concerned Citizen

ein Film von Idan Haguel

IL 2022, 82 Min., hebräische OF mit deutschen UT

Concerned Citizen

ein Film von Idan Haguel

Der gute Mann von Tel Aviv

Ben hält sich für einen liberalen schwulen Mann. Er hat einen gut bezahlten Job und wohnt mit seinem Partner Raz in einem schicken Apartment in einem migrantisch geprägten Stadtteil Tel Avivs. Zum Glück fehlt dem Paar nur noch ein Kind. Um ihre Wohngegend zu verschönern, pflanzt Ben einen Baum auf der anderen Straßenseite. Doch seine gut gemeinte Tat löst eine Kette von Ereignissen aus, an deren Ende ein Geflüchteter aus Eritrea brutal von Polizisten zusammengeschlagen wird. Bens Bild von sich selbst, seiner Beziehung, ja der ganzen Gesellschaft gerät aus den Fugen.

Mit bitterbösem Humor zeichnet Regisseur Idan Haguel eine satirische Parabel über das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, unhinterfragte Privilegien und tief sitzende Vorurteile. Für seine elegant erzählte Sozialkritik wurde „Concerned Citizen“ bereits auf der Berlinale gefeiert.

Spieltermine

Berlin

Samstag, 10. September, 19:15

Dresden

Freitag, 9. September, 21:15

Düsseldorf

Freitag, 9. September, 19:30

Frankfurt am Main

Samstag, 10. September, 21:30

Mittwoch, 14. September, 20:45

Fürstenwalde

Freitag, 9. September, 19:30

Halle an der Saale

Freitag, 9. September, 20:00

Köln

Freitag, 9. September, 22:00

Leipzig

Freitag, 9. September, 18:30

Freitag, 9. September, 19:00

München

Freitag, 9. September, 19:30

Nürnberg

Freitag, 9. September, 18:00

Freitag, 9. September, 21:00

Stuttgart

Freitag, 9. September, 21:00

Wien

Montag, 12. September, 20:00

Biografie

IDAN HAGUEL (Buch & Regie) ist Absolvent des Sapir College Film Departments im israelischen Kreis Scha’ar HaNegev. Nach einer Reihe von der Kritik gelobter Kurzfilme feierte sein Langfilmdebut „Inertia“ seine Weltpremiere in der Sektion Forum der Berlinale 2016. 2017 nahm er an der Talentförderung Berlinale Talents teil. Er ist sowohl als Journalist als auch als Drehbuchautor für das Israelische Fernsehen tätig. „Concerned Citizen“ ist sein zweiter Langfilm und lief 2022 im Panorma der Berlinale.

  • 2015

    „Inertia“

  • 2022

    „Concerned Citizen“

Director’s Statement
Idan Haguel über seinen Film

Man kann „Concerned Citizen“ als eine zynische „White-Guilt-Trip“-Komödie bezeichnen. Ben (35, Gentrifizierer) lebt in einem vernachlässigten Stadtteil im Süden Tel Avivs, zu seinen Nachbarn zählen auch eritreische Geflüchtete. Diese Umgebung zwingt ihn, die unschönen Seiten seines Charakters zu erforschen, derer er sich bislang nicht bewusst war. Wir haben den Film in einer Wohnung im Süden Tel Avivs gedreht, in der ich selbst mehrere Jahre gelebt habe. Deswegen war es mir besonders wichtig, die Atmosphäre und Geschehnisse in der Gegend möglichst originalgetreu und ehrlich wiederzugeben. Die beiden Protagonisten des Films sind auch in der Realität ein Pärchen. Die Dynamiken und Nonchalance einer realen Beziehung ist nur sehr schwer mit Schauspielern nachzuempfinden, die kein Pärchen (oder nicht schwul) sind.

Das Gleiche gilt für die Schauspieler, die im Film die eritreischen Geflüchteten darstellen: Sie selbst sind Geflüchtete aus der „Sands Theater Group“. Das ist eine Haftanstalt für Asylsuchende aus dem Sudan und Eritrea, die sich in der Wüste Israels befindet. Durch dieses Casting hat „Concerned Citizen“ an Authentizität gewonnen. Der Film wird aus der Sicht eines weißen und privilegierten Protagonisten erzählt. Daher stammt auch die Satire. Außerdem wollte ich mir nicht anzumaßen, die Perspektive der Geflüchteten für mich zu beanspruchen. Diese bleibt deswegen außerhalb der inneren Welt des Protagonisten. Der Film fokussiert sich mitunter auf die schwulen Charaktere, um die großbürgerlichen Elemente der Gesellschaft in Tel Aviv zu reflektieren. Wir wollten eine queere Geschichte aus einem anderen Sichtwinkel erzählen. Es geht nicht notwendig um Liebe oder das Coming-Out, sondern um eine Welt, in der sich schwule Personen – denen sehr oft eine Opferrolle zugeschrieben wird – zu Tätern entwickeln.

Interview
Im Gespräch mit Idan Haguel

Das Thema „White-Guilt“ wird nur sehr selten im zeitgenössischen Film behandelt. Woran liegt das?

Die „White Guilt“ der Filmemacher:innen wird oft in Geschichten kanalisiert, die aus der Sicht der „Opfer“ erzählen – nur sehr selten geht es um die „Täter“ selbst. In den letzten Jahren ist Film sehr politisch geworden, von Filmemacher:innen wird Aktivismus erwartet. Das mag zwar moralisch „richtig“ sein, ist aber weniger interessant und herausfordernd.
Deshalb habe ich meine Protagonisten satirisch inszeniert. Die humoristischen Elemente entzerren auf diese Weise mögliche Fettnäpfchen. Dabei war mir aber sehr wichtig, auf wen die Witze abzielen. Ich mache mir keinen Spaß aus ernsten Themen, sondern hauptsächlich aus der Art und Weise, wie die Protagonisten diese wahrnehmen.

Stellst Du in Deinem Film auch Bezüge zu Polizeigewalt gegen Minderheiten in anderen Ländern her?

In Israel gibt es Menschen, die keine legalen Rechte haben. Die Polizei und andere Menschen nutzen dies manchmal zu ihrem Vorteil aus. Polizeigewalt macht sich in anderen Ländern vielleicht anders bemerkbar, ich habe den Finger in die lokale Wunde gelegt, nicht in die globale. Zu sehen, dass viele Menschen hier nur zuschauen, wenn Gewalt gegen Geflüchtete ausgeübt wird, lässt einen an eine Zeit denken, in der Juden in der gleichen Rolle der „Geflüchteten“ waren.

Der Film wurde in derselben Wohnung gedreht, in der Du selbst auch lange gelebt hast. Inwiefern ist dies eine persönliche Geschichte und wie haben Deine eigenen Erfahrungen zum Entstehungsprozess beigetragen?

Ich habe einige Jahre in diesem unorthodoxen Umfeld im Süden Tel-Avivs gelebt, das hat meine Persönlichkeit sehr beeinflusst. Der Film ist allerdings aus einem anderen Grund entstanden. Ich wurde damals Zeuge eines brutalen Arrests durch die Polizei, der mich ein Jahr lang verfolgte, bis ich mich dazu entschloss, dieses Erlebnis in einen Film zu integrieren.
Ich kann nicht für andere Länder auf der Welt sprechen, aber in Süd-Tel-Aviv leben die nichtjüdischen Immigranten, die meistens nicht legal als Bürger:innen Israels akzeptiert werden. Xenophobie durchtränkt das gesamte Gebiet und hat es unbeliebt für viele mittelständischen Familien gemacht. Wenn die Mietpreise also fallen, wird der Ort für Schwule interessant und daraufhin ist es nur noch ein kurzer Weg bis zur Gentrifizierung – ganz salopp gesagt. Die Charaktere im Film sind schwul, weil ich es auch bin. Und weil sie auf diese Weise als liberal und „woke“ angesehen werden, sowohl von sich selbst als auch von den Zuschauer:innen. Der Film versucht diese Wahrnehmung zu benutzen und sie mehr zu durchleuchten. Ich persönlich wünsche mir, dass in Filmen unterschiedlichere Charakterzüge schwuler Figuren dargestellt werden. Na klar, Coming-out-Geschichten und subtile homoerotische Spannungen haben ihren Reiz, aber diese Filme gibt es inzwischen zuhauf, das ist doch langweilig.

Wie hast Du die eritreische Gemeinschaft in den Herstellungsprozess integriert und hattest Du Angst, dass der israelisch-palästinensische Konflikt einen Schatten über die Geschichte anderer Minderheiten wirft?

Der Großteil meiner Nachbarn in dem Gebäude kam aus Eritrea, da hatte ich schon einmal eine erste Verbindung. Als ich dann nach Schauspieler:innen aus der Community gesucht habe, konnte mir das Holot Theater weiterhelfen. Diese Theatergruppe wurde in einer Haftanstalt für Geflüchtete (die meisten davon aus dem Sudan und Eritrea) inmitten der israelischen Wüste gegründet. Ihre eigenen Geschichten dieser traumatischen Erfahrungen verarbeiten die Schauspieler:innen in ihren Stücken und Schauspielmethoden. Die meisten Szenen im Film sind deswegen improvisiert, ich wollte ihnen Raum geben, ihre Geschichten zu erzählen. Im Film gibt es eine sehr schonungslose Wiedergabe der Tortur, die Geflüchtete aus dem Sudan und Eritrea durchgehen, wenn sie die Wüste Sinai durchqueren und brutal gefoltert werden. Im Vergleich dazu erleben die beiden Protagonisten einen perfekten Urlaub in dieser Region. Das Paradies des einen kann ganz schnell zur Hölle für eine andere Person werden.
Der palästinensische Konflikt ist sehr präsent im Film, die Hauptdarsteller haben die einzigartige Fähigkeit, die Gewalt vor ihrer Tür zu verdrängen und zur gleichen Zeit ihre aufblühende queere Community und ihren Liberalismus abzufeiern. So gesehen ist der Film natürlich ein Kommentar zu „Pink-Washing“ in Israel.

Credits

Cast

Ben

Shlomi Bertonov

Raz

Ariel Wolf

Crew

Buch & Regie

Idan Haguel

Kamera

Guy Sahaf

Schnitt

Shauly Melamed

Co-Schnitt

Mattan Kedem, Gil Vesely

Musik

Zoe Polanski

Sounddesign

Erez Eyni Shavit

Setdesign

Shaked Naor

Colorist

Tomer Bahat

Produzenten

Idan Haguel, Gil Sima, Binyamin Gurevitch, Itay Akirav

präsentiert von The Yehoshua Rabinovich Foundation, Israel Cinema Project und m-appeal